Warum überhaupt (fachgerecht) schneiden?

Heutzutage wird sich häufig nicht mehr fachgerecht um Obstbäume gekümmert. Dabei sind unsere heutigen Obstbäume keine normalen Laubbäume, die sich häufig um sich selbst kümmern, sondern Kulturpflanzen, die Pflege benötigen.

Würden Sie z.B. eine Brokkolipflanze in ein wildes Beet setzen, sich nie wieder drum kümmern und dann erwarten, dass diese Kulturpflanze überlebt? Bei Obstbäumen ist es ähnlich. Ohne Pflege wachsen sie zwar auch, aber bei weitem nicht so gut, wie sie könnten und werden häufig nicht sehr alt. Wenn Sie qualitativ hochwertiges Obst und eine einfache Ernte haben wollen ist eine fachgerechte Pflege unerlässlich. Dazu kommt noch, dass Obstbäume mit Pflege um ein vielfaches älter werden können als ohne. Das ist nicht nur für die Obsternte gut, sondern auch für die Artenvielfalt. Ältere Bäume bieten einen größeren Beitrag für eine intakte vielfältige Landschaft.

Bei hochstämmigen Obstbäumen dauert es teilweise weit über 15 Jahre, bevor das Maximum an Obstertrag wächst! Wenn der Baum aber nach 30 Jahren bereits anfängt abzusterben oder nicht mehr beerntet werden kann ist viel Zeit verschenkt worden. Daher ist ein fachgerechter Jungbaumschnitt wichtig.
Aber auch bei älteren, schon arg mitgenommenen, Bäumen lohnt es sich fachgerecht zu schneiden, um den Baum so lange wie möglich zu erhalten und Obst ernten zu können.

Mögliche Probleme

Kein (fachgerechter) Schnitt:

Äste reißen aus/brechen ab

Unter der Fruchtlast können Äste leicht abbrechen oder einfach direkt am Stamm ausreißen. Dadurch verkürzt sich die Lebenserwartung des Baumes um ein vielfaches, da diese Wunden häufig so groß sind, dass sie nicht wieder zuwachsen und einfaulen.

Äste sterben ab

Ein Baum wächst sein ganzes Leben lang weiter. Wenn er nicht ordentlich geführt wird werden untere Äste häufig irgendwann von oberen Astpartien beschattet und sterben ab. Dadurch entstehen nicht selten große Wunden direkt am Stamm, die einfaulen und das Leben des Baumes verkürzen. Zusätzlich wird es schwieriger an Obst zu kommen, da es immer weiter oben gebildet wird.

Qualität vom Obst lässt nach

Wenn der Baum oben eine schirmartige Krone bildet und untere Astpartien weniger Licht bekommen reift das Obst unten nicht mehr so gut aus. Das beste Obst befindet sich dann in den oberen Astpartien, aber gerade diese sind schwer zu erreichen. Die fruchtbildenen Äste vergreisen mit der Zeit und produzieren immer schlechteres und häufiger kleineres Obst. Zusätzlich kann bei ungeschnittenen Bäumen ein stärkerer Befall mit Pilzen eintreten (z.B. Schorf beim Apfel).

Bäume schwieriger zu ernten/Krone wächst dicht zu

Mit fortschreitendem Alter wird eine ungeschnittene Krone häufig „buschiger“ und man bekommt keine Leiter mehr sicher in den Baum rein. Dadurch konzentriert sich die Ernte häufig auf die unteren Astpartien, aber gerade dort wächst bei einem ungepflegtem Baum das schlechteste Obst! Will man doch an das obere Obst wird es nicht selten gefährlich, da die Leiter nicht sicher an einen Ast angelegt werden kann.

Äste hängen zu tief/bis auf Boden

Wenn Bäume gar nicht geschnitten werden hängen die Äste durch die Fruchtlast häufig irgendwann bis auf den Boden. Bei hochstämmigen Obstbäumen kann man dann nicht mehr darunter her gehen. Auf Streuobstwiesen kann man schnell nicht mehr mit Fahrzeugen darunter herfahren, was die Unterpflege deutlich erschwert.

All die oben genanten Probleme treten nur bei fehlendem oder nicht fachgerechtem Schnitt auf. Bei fachgerecht geschnittenen Altbäumen deutlich weniger und bei direkt im Jugendalter fachgerecht erzogenen Jungbäumen gar nicht! Der Erziehungs- und Erhaltungsschnitt ist die Kerndisziplin von Baumwart:innen.

Falscher Schnitt:

Schnittstellen faulen ein

Wenn zu große Äste rausgeschnitten oder die Schnitte falsch ausgeführt werden fault es irgendwann im schlimmsten Fall in den Stamm ein. Dadurch verringert sich die Lebenserwartung eines Baumes um ein vielfaches. Außerdem ist irgendwann die Statik vom Baum gefährdet und es können größere Astpartien oder sogar der gesamte Stamm abbrechen, was eine erhebliche Gefahr für z.B. darunter spielende Kinder darstellt.

Kappstellen treiben unkontrolliert oder faulen ein (Kappschnitt)

Häufiger sieht man, dass Bäume auf einer bestimmten Höhe gekappt werden. Damit soll vermeintlich die Höhe begrenzt werden, was aber selten langfristig den gewünschten Effekt hat. Der Baum treibt in den nächsten Jahren unkontrolliert aus den gekappten Stellen aus. Falls die Kappstellen sehr groß sind fault es auch in diese Stellen rein und der Baum fault von oben runter.

Baum wächst unkontrolliert

Häufig wird geschnitten ohne überhaupt zu verstehen, was welcher Schnitt bewirkt. Das führt zu vielfältigem unkontrollierten, nicht gewünschtem Austrieb. Hier gibt es viele Beispiele, die häufig über die Jahre zu Problemen führen. z.B. treibt der Baum sehr stark hauptsächlich nur nach oben („Wasserschosser“) oder viel zu viele Triebe aus ein und derselben Stelle heraus in unerwünschte Richtungen.

Leider stellt sich immer wieder heraus, dass auch (Landschafts-)Gärtner:innen Obstbäume nicht fachgerecht schneiden und oben genannte Fehler entstehen. Das ist dadurch geschuldet, dass für viele Gärtner:innen heutzutage Obstbäume nur noch eine Randerscheinung sind und das Wissen um den fachgerechten Obstbaumschnitt nicht da ist. Durch den Fokus auf Obstbaumschnitt lernen (Obst-)Baumwart:innen diese Fehler zu umgehen und Obstbäume so zu schneiden, dass sie lange leben.

Falsche/Fehlende Planung

Bäume werden zu groß für den angedachten Platz

Bäume ohne Vorplanung einfach so zu kaufen und zu pflanzen führt vor allem in Hausgärten häufig dazu, dass der Platzbedarf falsch eingeschätzt wird und der Baum nach ein paar Jahren Dimensionen erreicht, die viel zu groß für den Garten sind. Hier wurde beim Kauf nicht auf die richtige Unterlage und passende Sorte geachtet. Dann kommt häufig der bereits oben erwähnte Kappschnitt zum Einsatz.

Falsche/zufällige Sortenwahl

Die Sortennamen von Supermarkt Obst sind heutzutage geläufiger als die Sortennamen von alten Sorten. Deshalb wird vorallem im Baumarkt zu Bäumen neuer Sorten gegriffen. Wenn der Baum irgendwann reichlich Früchte trägt stellt man aber nicht selten fest, dass das Obst qualitativ nicht an Supermarkt Obst heranreicht. Das liegt daran, dass viele neue Sorten nur durch massiven Einsatz von Pestiziden, Düngemittel und Intensivpflege gutes Obst liefern.
Dazu kommt, dass nicht jede Sorte an jedem Ort gleich gut steht.

Durch eine gute Vorplanung kann ein langfristig einfach zu pflegender Obstbaum wachsen, der die oben genannten Probleme umgeht. Baumwart:innen können Sie bei der Planung fachgerecht unterstützen.

Darüber hinaus gibt es viele weitere Probleme die auftreten können wie z.B. dass der Obstbaum trotz Blüten kein Obst ausbildet, so gut wie keinen Neuzuwachs macht oder der Baum sich zu stark in eine Richtung neigt.

Warum Baumwarte?

Baumwart:innen spezialisieren sich auf Obstgehölze und können daher optimale Lösungen für die oben genannten Probleme liefern bzw. diese gänzlich vermeiden. Durch den Fokus auf Obstbäume können wir Ihnen in diesem Bereich mehr bieten als die meisten anderen grünen Berufe. Abbruch gefährdete Äste können frühzeitig erkannt und behandelt werden, das Absterben von großen Ästen kann verhindert werden oder die Beerntbarkeit von alten Bäumen wieder hergestellt werden.
Bei neugepflanzten Bäumen kann direkt von Anfang an eine gute Krone aufgebaut werden, die das gesamte Baumleben lang Bestand hat und immens viele Vorteile mit sich bringt.

Ziele eines guten fachgerechten Schnittes an einem Obstbaum sind:

  • Ein möglichst hohes Baumalter
  • Qualitativ gut ausgereiftes (=hochwertiges) Obst
  • Einfache Beerntbarkeit
  • Bei Jungbäumen: Schneller stabiler Kronenaufbau

Bei lange nicht geschnittenen oder sogar noch nie (fachgerecht) geschnittenen Bäumen kann man die oben genannten Ziele z.T. nicht mehr alle erreichen. Hier macht es Sinn sich darauf zu konzentrieren den Baum so lange wie möglich zu erhalten, um weiter Obst ernten zu können. Bei direkt von Anfang an professionell erzogenen Bäumen kann ein entsprechendes Schnittsystem angewandt werden, welches alle Ziele erreicht. Eins der besten Schnittsysteme für (hochstämmige) Obstbäume ist der Oeschbergschnitt, auf welchen ich gesondert in einem anderen Beitrag später nochmal eingehe. Dieses Schnittsystem benötigt im Alter verhältnismäßig wenig Pflegeaufwand.

Ein paar weitere Gedanken

Ein Obstbaum ist immer ein Mehrgenerationenprojekt. Viele von den großen Obstbäumen die heute noch stehen wurden von Generationen vor uns gepflanzt. Diese Bäume sterben zusehends ab, weil sie jahrelang nicht gepflegt wurden. Wenn Sie heute einen Obstbaum pflanzen, werden sich aller Wahrscheinlichkeit nach die nächsten Generationen noch an dem Obst dieses Baumes erfreuen. Um dies zu erreichen ist eine gute Pflege vonnöten.

Hochstämmige Obstbäume haben das Potential weit über 100 Jahre alt zu werden. Leider sind viele Obstbäume in den letzten 50 Jahren Fällungen oder fehlender Pflege zum Opfer gefallen. Früher gab es an jeder Ecke größere Streuobstwiesen, schöne Obstalleen und in jedem Garten den ganz persönlichen Lieblingsobstbaum.
Vorallem Streuobstwiesen sind ein Quell der Artenvielfalt. Sie gehören zu den artenreichsten Lebensräumen in Mitteleuropa. Wir erhalten damit nicht nur eine lokale günstige, einfache, gesunde Lebensmittelversorgung, sondern auch ein Stück Kulturlandschaft, in dem zahlreiche Tiere und Pflanzen eine Zuflucht in unserer zusehends ausgeräumten Landschaft finden. Für die Artenvielfalt ist es am besten wenn es eine Variation von alten und jungen Bäumen auf einer Wiese gibt. Wirklich alt werden können Obstbäume aber häufig nur mit der entsprechenden Pflege.

Zu guter letzt ein paar ganz persönliche Gedanken:
Meine Meinung ist, dass wir eine Verantwortung gegenüber den zukünftigen Generationen haben. Genau wie die Generationen vor uns uns Obstbäume hinterlassen haben, von denen sie wussten, dass sie das meiste Obst nicht selbst ernten werden, sondern wir. Genauso sind wir nun in der Pflicht, für die nächsten Generationen gesunde, langlebige Obstbäume zu hinterlassen. Auch wenn dies aktuell an manchen Stellen vielleicht nicht wertgeschätzt wird, ist es doch ein weiterer Baustein zu einer lebenswerten Welt.

Obstbäume fit machen für die nächsten 100 Jahre!